Chronik

Die Gründung der Sternwarte "Orion"

Im südlichen Waldviertel wurde in den Jahren 1966 – 1969 vom Wiener Pensionisten Josef Trinko eine Privatsternwarte errichtet. Die nachstehende Beschreibung wurde der handgeschriebenen Chronik des Erbauers entnommen.

Der Leitgedanke bei der Planung und Ausführung der Sternwarte war es, eine Anlage zu schaffen, die trotz der naturgemäß begrenzten  finanziellen Mitteln leistungsfähig sein sollte, daß mit Ihr auch – selbstverständlich im gegebenen Rahmen – ernste wissenschaftliche Arbeit geleistet werden kann. So wurden daher, soweit es nur irgendwie möglich war, von mir alle Arbeiten selbst ausgeführt, lediglich jene Arbeiten, die mit den zur Verfügung stehenden maschinellen Hilfsmitteln nicht bewältigt werden konnten, wie z.B. das Zuschneiden der starken Stahlbleche für die Fernrohrsäule, das Fräsen der Zähne von Schnecken- und Kegelrädern oder das Gießen von Eisen- oder Buntmetall – Gußstücken wurde entsprechend eingerichteten Werkstätten übertragen.

Die Lage der Sternwarte:

Das Objekt steht in der Nähe der kleinen, zur Marktgemeinde Martinsberg gehörenden, Ortschaft Oed auf dem sogenannten „Halterriedel“, einem kleinen Stück Ödland, das wegen der steinigen Beschaffenheit des Bodens landwirtschaftlich nicht genutzt werden kann. Die ungefähren geographischen Koordinaten sind :

Geogr. Länge 15° 07,7´ östl. v. Gr. = 1h 00m 31sec
Geogr, Breite + 48° 23′
Seehöhe etwa, 900 Meter
 

Die genauen Werte sind derzeit (1969) nicht bekannt, da für dieses Gebiet eine Neuvermessung noch nicht erfolgte. Die Lage der Sternwarte ist geradezu als Ideal zu bezeichnen. Die Sicht ist nach allen Seiten frei. Da das Gebiet in einer fast ausschließlich landwirtschaftlich genutzten Landschaft, fernab von größeren Siedlungen oder Industrieanlagen, liegt, wird die Beobachtung weder durch stärkere nächtliche Beleuchtung noch durch Rauch- oder Staubentwicklung beeinträchtigt. Auch die relativ hohe Lage (ca. 900 m) wirkt sich auf die Beobachtung günstig aus.

Die instrumentelle Ausrüstung :

Hauptinstrument ist ein Spiegelteleskop System Cassegrain von 310 mm Öffnung und. ca. 4,30 m Äquivalent-Brennweite. Der Sucher des Instrumentes hat eine 60 mm Öffnung und ca. 12fache Vergrößerung.

Das Fernrohr ist parallaktisch montiert (Deutsche Montierung). Die Montierung wurde reichlich dimensioniert, um möglichst hohe Stabilität zu gewährleisten. So ist z.B. die Stundenachse aus 78 mm, die Deklinationsachse aus 70 mm starkem Stahl gefertigt. Beide Hauptachsen sind mit Kegelrollenlagern in stählernen Achsbüchsen von 15 mm Wandstärke gelagert. Die Lagerung in Kegelrollenlagern hat den Vorteil, daß diese Lager nur zu einem kleinen Bruchteil ihrer großen Tragfähigkeit sowohl in axialer als auch in radialer Richtung belastet werden, sodaß Ungenauigkeiten in der Achsenführung durch Deformierungen sicher vermieden werden. Außerdem, und dies ist vielleicht noch wichtiger, kann die „Lagerluft“ , d.i. der unbedingt notwendige winzige Spielraum zwischen den Lagerringen und den Rollen leicht auf den richtigen Wert eingestellt werden, so daß die Führung der Achsen sehr genau und spielfrei gestaltet werden kann. Das Achsensystem ist mit dem soliden Säulenkopf auf der Fernrohrsäule befestigt. Feststellbare Einstellschrauben für Azimut und Polhöhe sind vorgesehen. Die Säule ist eine vierseitige Pyramide aus 5 mm starkem Stahlblech. Sie wurde vor dem Aufsetzen des Säulenkopfes mit Sand und Bruchsteinen gefüllt.

Der Antrieb in Stunde erfolgt durch einen kleinen Elektromotor. Seine Drehzahl ist mit einem Fliehkraftregler sehr genau einzustellen und konstant zu halten. Natürlich kann damit allein die Nachführung des Fernrohres nicht so präzise erreicht werden, wie es z.B. bei photographischen Aufnahmen notwendig ist. Es ist daher eine Synchronisierungseinrichtung eingebaut, mit deren Hilfe die Bewegung des Fernrohres von einer Sternzeituhr über einen lichtabhängigen Widerstand und einen Schaltransistor
synchronisiert werden kann. In das Antriebsaggregat ist weiters eine elektrische Feinbewegung des Fernrohres in Stunde eingebaut. Die durch einige Schneckengetriebe
stark untersetzte Bewegung eines kleinen Elektromotors wird über ein Differential als zusätzliche Bewegung in den Fernrohrantrieb (vor- oder rückwärts) übertragen.
Die Steuerung bezw. Stromversorgung dieses Motors erfolgt über mehrere Relais von einem Handstück aus, das über ein mehradriges Kabel mit dem Antriebsaggregat verbunden ist und die Betätigung der Feinbewegung in jeder Lage des Fernrohres vom Okularende aus gestattet. Das Handstück trägt vier Druckknöpfe für Bewegungen
vorwärts/schnell/langsam und rückwärts/schnell/langsam. Die Feinbewegung in Deklination wird mechanisch über eine Feingewindeschraube und Druckfeder durch ein Handrad am Okularende betätigt.

Mit dem Fernrohr fest verbunden ist eine Astrokamera für das Format 9×12 cm. Zu dieser Kamera sind zwei Objektive vorhanden und zwar ein Steinheil Unifocal f/4,5 mit 40 cm Brennweite und 90 mm Öffnung und ein Cook-Anastigmat f/8 mit 46 cm Brennweite und 60 mm Öffnung. Die beiden Objektive können gegeneinander ausgewechselt werden.
Auf der Deklinationsachse ist außerdem eine Anschraubvorrichtung zur Befestigung einer Kleinbildkamera vorgesehen.

Die Sternwarte ist von der Ortschaft Oed, wo das Stromversorgungsnetz der Newag endet, etwa 500 – 600 m entfernt. Die Herstellung einer Stromzuleitung hätte unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht. Da aber der Strombedarf äußerst gering ist (insgesamt je nach eingeschalteten Verbrauchern etwa 15 bis maximal 40 Watt)
wurde als Stromquelle eine 12-Volt Autobatterie verwendet, die jeweils zur Aufladung nach Oed gebracht wird.

Auf der Sternwarte sind an Instrumenten noch vorhanden :

Ein kleines transportables Linnearfernrohr mit 60 mm Öffnung und 80 cm Brennweite, parallaktisch montiert, auf Holzstativ. Da das Stativ nicht sehr stabil ist, soll zu einem späteren Zeitpunkt eine solidere Aufstellungsmöglichkeit geschaffen werden. Weiters ein älteres Nivellierinstrument (Starke und Kammerer) mit Teil-Höhenkreis, so daß auch Höhenwinkel bis etwa 45° gemessen werden können. Ablesegenauigkeit 1´.

Der Schutzbau :

Das Instrument ist in einem Holzhaus mit einer Grundfläche von etwa 3,8o x 4,00 m untergebracht. Das Haus wurde so orientiert, daß seine Wände möglichst genau in den Haupt-Himmelsrichtungen liegen. In der nach Süden gerichteten Wand befindet sich die Eingangstür. Das Haus ist ein sehr stabil ausgeführter Riegelbau aus kräftigen Kanthölzern, der außen mit Brettern verkleidet ist. Der Bau steht auf vier Betonfundamenten, die ca. 80 cm tief in den Boden reichen. Etwas südlich vom Schnittpunkt der Diagonalen des Gebäude-Grundrisses ist ein Betonpfeiler errichtet, der oben die Dimension 80 x 80 cm hat, etwa 1,oo m über den Erdboden hervorragt und ca. 1,80 m tief in den Erdboden reicht. Auf diesem Pfeiler ist die Fernrohrsäule mit 20 einbetonierten Schrauben M12 befestigt. An die Nordseite des Hauses schließen zwei ca, 7,00 m lange hochkant gestellte Kanthölzer an, die auf vier kräftigen Holzpfosten befestigt sind und die das „Geleise“ für das wegschiebbare Dach tragen. Der Fußboden liegt etwa 1,00 m über Niveau. Er hat einen quadratischen Ausschnitt in der Größe von etwa 82 x 82 cm, durch den der Betonpfeiler für die Fernrohrsäule frei durchgeführt ist, so daß Schwingungen des Fußbodens, die durch das Hin- und Hergehen verursacht werden, nicht auf den Pfeiler bzw. das Fernrohr übertragen werden. Der schmale Spalt zwischen Pfeiler und Fußboden wurde mit Glaswolle verstopft, um das Eindringen von Insekten oder anderen unerwünschten Gästen zu verhindern.

Einige Probleme gab die Planung und die Ausführung des Daches auf. Es mußte ja verschiebbar sein, sollte daher nicht allzu schwer werden, dabei aber doch das Objekt verläßlich gegen Regen, Staub und Schnee abdichten, Besonders die Abdichtung gegen Flugschnee verursachte einiges Kopfzerbrechen. Schließlich mußte auch dafür vorgesorgt werden, daß durch das zu erwartende Schwinden des Holzes keine Schwierigkeiten in der Beweglichkeit des Daches auftreten konnten. Es wurde schließlich
die nachstehend beschriebene Ausführung gewählt, die sich bisher bestens bewährt hat.

Das Dach ruht auf zwei kräftigen Kanthölzern, an deren Unterseite je drei Rollen mit U-förmigem Umfangsprofil befestigt sind, die ihrerseits auf einem Geleise aus 5 mm starkem Winkeleisen laufen. Die Dachbinder wurden zweiteilig ausgeführt. (Siehe Abbildung 🙂

Giebel der Sternwarte

Die beiden Teile sind nur am Firstbalken fest verschraubt. Bei S sind sie durch eine starke Mutterschraube miteinander verbunden, wobei aber zwischen den beiden vertikalen Teilen der Binder-Hälften ein ca, 5-6 cm breiter Spalt frei bleibt. Durch Anziehen bezw. lockern der Mutter der Schraube S kann im Falle des Schwinden bzw. Quellens des Holzes die Spurweite SW im Ausmaß von etwa 2 -7 cm kleiner oder größer gestellt werden. Um den Bindern eine möglichst große Starrheit zu geben wurden die dreieckigen bzw. rhombischen Felder F durch aufschrauben entsprechend zugeschnittener Stahlbleche von 1 mm Stärke verkleidet. Die eigenartige Form der Dachbinder bedarf noch einer kurzen Erklärung.

Das Fernrohr soll ja freie Sicht bis zum Horizont haben. Daher wurde bei einer Höhe der Wände der Hütte von 1,60 m (vom Fußboden gemessen) die Montierung so ausgeführt, daß der Schnittpunkt von Stunden- und Deklinationsachse ca. 1,80 m über dem Fußboden liegt. Um nun das Dach anstandslos über das über die Wände hinausragende Fernrohr hinwegschieben zu können, mußten die Dachbinder die skizzierte Form erhalten.

Für die Eindeckung des Daches wurde ein speziell für diesen Zweck hergestelltes Aluminium-Wellblech verwendet. Obwohl das Blech nur 0,8 mm stark und das Dach damit verhältnismäßig leicht ist, ist es ohne weiters begehbar. Wegen seines geringen Gewichtes (Dachfläche ca, 20 m², Gewicht etwa 400 kg) mußte das Dach gegen ein eventuelles Abheben bei Sturm gesichert werden. Zu diesem Zweck sind im Inneren des Raumes vier starke Exzenter-Verschlüsse vorgesehen, welche das Dach sicher festhalten. An der Südseite der Hütte bieb nun zwischen der Wand und dem Dach ein trapezförmiger Raum frei, der sich aus der oben erwähnten eigenartigen Form der Binder ergab. Dieser Raum wird durch eine breite Klappe verdeckt, die vom Inneren der Hütte aus mittels einer Kurbel über ein Schneckengetriebe und ein Gestänge geöffnet bzw. geschlossen werden kann. Ebenfalls durch eine im Inneren der Hütte befindliche Kurbel wird ein über mehrere Rollen geführter und durch ein Gewicht ständig gespannter Seilzug betätigt, an den das Dach angeklemmt ist. Das Wegschieben bzw. Schließen des Daches erfordert so wenig Kraftanstrengung, daß einmal der Sohn eines Besuchers, ein noch nicht schulpflichtiger Knabe, mit größter Begeisterung das Dach etwa ein halbes Dutzend mal geöffnet und geschlossen hat. Wie schon früher angedeutet, kann das Dach in Richtung Norden auf einer ca. 7,00 m langen Fahrbahn verschoben werden. Am Ende des aus Winkeleisen bestehenden „Geleises“ sind kurze Flacheisenstücke angeschweißt, die verhindern, daß das Dach etwa unbeabsichtigt zu weit abgeschoben werden könnte. Im weggeschobenen Zustand verdeckt der Dachgiebel ein flaches Dreieck des Nordhimmels, wobei allerdings die höchste Stelle, also der First, nur ca. 11° über den Horizont reicht, die Beobachtung also praktisch nicht behindert.

Sonstiges :

In der Sternwarte sind zwei Beleuchtungskörper angebracht. Es sind zwei Lämpchen 12 Volt/5 Watt in Opalglaskuppeln, die den Raum schwach erhellen, so daß wohl gerade noch eine Orientierung möglich ist, andererseits aber beim Einschalten der Beleuchtung die Dunkeladaption des Auges nicht völlig aufgehoben wird. Der Fußboden ist mit Plastikfliesen belegt und leicht sauber zu halten.

Die Gewichte der einzelnen Teile des Fernrohres sind manchmal beträchtlich. Zum Zwecke der Montage, späterhin aber auch zum Zwecke der Reinigung, Reparatur und Pflege des Instrumentes wurden in die Dachkonstruktion zwei Laufschienen senkrecht zur Richtung des Dachfirstes eingebaut, auf denen auf Rollen ein kleiner Flaschenzug mit 300 kg Tragkraft läuft. Dieser Miniatur-„Montagekran“ hat seine Feuerprobe bestanden, als mit seiner Hilfe die ca. 130 – 140 kg schwere Fernrohrsäule auf den Betonpfeiler aufgesetzt wurde. Dabei mußte die Fernrohrsäule, an der Kette des Flaschenzuges hängend, millimetergenau so über den Pfeiler gebracht werden, daß die 20 in den Pfeiler einbetonierten Schrauben in die vorgebohrten Löcher des Fußflansches der Säule kamen.

Für einen späteren Zeitpunkt sind noch weitere Ergänzungen der Sternwarteeinrichtung geplant. So soll z.B. der Okularkopf, der etwas einfach ausgeführt ist, abgeändert bzw.
ausgetauscht werden. Weiters wird die Einrichtung einer verläßlichen Zeitdienstanlage notwendig sein. Schließlich soll auch noch ein kleiner Schuppen errichtet werden, in dem verschiedene Reinigungs- und Gartengeräte untergebracht werden können.

Zum Abschluß möchte ich allen jenen, die mich bei der Planung und Ausführung durch Rat und Tat unterstützt haben, für ihre Hilfe aufrichtig und herzlich Dank sagen.

Wien, April 1969

Bilder der historischen Sternwarte nach ihrer Fertigstellung 1969

Die Renovierung der Sternwarte "Orion" in den Jahren 2004 bis 2007

Nach dem Ableben des Erbauers der Orion-Sternwarte bestand die Gefahr, dass das Gebäude verfällt und die Instrumente dadurch irreparabel zerstört werden. Unter der Ägide des astronomiebegeisterten örtlichen Zahnarztes Gerhard Janu wurde der Verein „Orion“ gegründet, der sich der Restaurierung und dem Erhalt des historischen Sternwarte auf dem Halterriegel widmete.

In den Jahren 2004 bis 2007 wurde eine umfangreiche Renovierung, beginnend mit dem Gebäude selbst und danach der instrumentellen Ausstattung durchgeführt.

Hier der Zustand der Sternwarte vor der Renovierung im Jahr 1999: